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2011:
Das Buch
von Zwi Kanar

Jiddische Musik- und Theaterwoche 2011 in Dresden

JiWo - BLOG

Archiv für Oktober 2008

Ernstes Thema, heiterer Umgang – Theatertruppe aus Akko zu Gast im Societaetstheater

Montag, 27. Oktober 2008

Nicht zum ersten Mal gastierte in einer jiddischen Musik- und Theaterwoche eine Theatergruppe aus Israel und nicht zum ersten Mal konnten wir dabei neuartigen Spiel- und Darstellungsmethoden begegnen. In diesem Jahr waren die Gäste Mitglieder des Acco Theater Center aus Akko, einer schon in der Antike berühmten Stadt in Galiläa im Norden Israels. Deren Altstadt wird fast ausschließlich von israelischen Arabern bewohnt und oft als die orientalischste Stadt Israels bezeichnet.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass das Theater mit einem Stück auftrat, das ein Abbild des interkulturellen Dialogs ist, um den sich die Mitglieder bemühen. Schon im Personalverzeichnis von „An Arab Dream” finden sich hebräische und arabische Namen, im ganzen Stück geht es um einen Teil der Probleme im Zusammenleben der beiden Volksgruppen. Dabei muss allerdings eingeräumt werden, dass sich dieser arabische Traum – genauer wohl Traum eines Arabers – einem deutschen Publikum nicht restlos erschließt. Die Fülle der Darstellungsweisen und die vielen Verwandlungen der weiblichen Hauptdarstellerin sorgen eher für Verwirrung, die bezüglich der Inhalte ebenfalls nicht ignoriert werden kann. Letzteres mag auch einer anderen Erwartungshaltung geschuldet sein. Erst im Verlauf des Stücks konnte ich mir klarmachen, dass nicht in jedem theatralen Ereignis die ganze Komplexität des Verhältnisses von Juden und Arabern bis hin zu hochpolitischen Teilthemen und der einem Krieg nicht unähnlichen Austragung der Konflikte umfassend abgehandelt werden kann.

„An Arab Dream” erzählt eine in erster Linie private Geschichte, deren spezifische Farben natürlich durch die große Politik mitbestimmt werden. In einer Situation wie in Israel und den besetzten Gebieten kann es eine private Sphäre ohne Bezug auf zentrale Felder der Politik nicht geben.

Man wird sogar die skurrile Heiterkeit des Stücks zunächst irritierend und wohl auch bestürzend finden, bis man begriffen hat, dass man es hier mit einer Komödie zu tun hat. Die ist zum Teil sehr subtil und sensibel, besitzt aber auch lange Passagen, die derb zupackend und burlesk sind. An der Vielfalt der Mittel – neben den üblichen theatralen Ingredienzien auch Puppenspiel, Pantomime, Film- und Videosequenzen – konnte man aber helle Freude haben,
ebenso daran, dass ein Schauspieler mitten unter die Zuschauer ging und sich mit ihnen unterhielt Sprachliche Vielseitigkeit äußerte sich in der Verwendung hebräischer, arabischer und englischer Texte, die fast simultan ins Deutsche übertragen wurden. Eine tüchtige Portion Erotik rundete ein Theatervergnügen ab, das man so eigentlich nicht erwartet hatte, dafür aber mit einer heiteren Sicht auf ernste Probleme belohnte.

Peter Zacher, DNN 27.10.2008

Die Kammeroper “Chaim Ben Chaya” nach einer jiddischen Legende wurde in Dresden uraufgeführt.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Es ist eine rätselhafte, unheimliche Inschrift: “Hier liegt Chajim Ben Chaje, geboren in seiner Mutter Grab”. Zu lesen ist sie auf dem Friedhof von Ostro. Was Legende wurde, soll in dem polnischen Städtchen wirklich passiert sein. Schmuel, dem viel reisenden Holzhändler, und Gattin Chaje, Tochter aus reichem Hause, fehlen zum vollkommenen Glück ein Kind. Chaje wird ungeduldig und nimmt wichtige Papiere aus dem Gepäck, das Schmuel für die nächste Reise geschnürt hat, damit er bald wieder umkehren müsse. Schmuel glaubt an eigenes Versehen und verkleidet sich, um den Spott der Leute abzuwenden. Die nehmen ihn als Fremden wahr, der pikanterweise über Nacht bleibt – und eine hochschwangere Chaje zurücklässt.

Doch Chajes Glück währt nur kurz, denn bald wird sie als Hure geschmäht und vom Rabbi verstoßen. Qualvoll stirbt sie, noch vor Geburt ihres Sohnes, und wird als Sünderin begraben. Dass die Dinge anders liegen, glaubt man erst dem heimkehrenden Schmuel. Und als man das Grab öffnet, findet man neben der toten Mutter ein lebendiges Kind. Sohn Chajim wird zum Zeichen der Unschuld Chajes. Die Gemeinde begreift, großes Unrecht getan zu haben.

Alte Themen, aktuelle Themen

Wie alt diese schaurige Geschichte auch sein mag; die Themen um Vorurteil, Misstrauen und Missgunst sind aktuell geblieben. Der israelische Komponist und Schriftsteller Daniel Galay (geb. 1945) hat darüber eine einstündige, eher rezitierend als reflektierend angelegte Kammeroper geschaffen. Am Montag kam “Chaim Ben Chaya” im Dresdner Theaterhaus Rudi erstmals auf die Bühne. Das reichlich erschienene Publikum dankte überaus herzlich – für Szenen (Regie: Tal Shahar), die durch ihre Kargheit berührten und mit Sandy Assers ergreifender Darstellung der Chaje besonders gewannen. Das Kammerorchester des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden unter Friedemann Schulz brachte die folkloristisch durchwirkte Musik nach Kräften zum Blühen. An Präsenz und Stimmgewalt nicht zu überbieten war Susann Reibeholz als singende Chaje.

Die noch bis zum Wochenende andauernde “12. Jiddische Musik-und Theaterwoche Dresden” hat mit “Chaim Ben Chaya” zweifellos einen Höhepunkt erlebt. Ein Produkt aus Hingabe und Idealismus in Teamarbeit – geschaffen binnen kurzer Zeit und mit einem Budget, wo mancher Musiker nicht einen müden Finger krümmen würde.

Karsten Blüthgen, Sächsische Zeitung 22.10.2008

Theatre Company Jerusalem gastierte in Dresden

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Nicht allein durch seine geografische Lage im Schnittbereich der Kontinente überlagern sich in Israel unterschiedliche kulturelle Einflüsse. Auch und vor allem die Tatsache, dass das Land Menschen aus aller Welt absorbiert -ungeachtet seines Herkunftslands hat jeder Jude das Recht, sich in Israel niederzulassen -, hat zu kultureller Vielfalt geführt. Dabei verläuft eine Ausrichtung hin zur Beibehaltung der Kulturen, die die Einwanderer mitgebracht haben und auch unter neuen Bedingungen weiter bewahren, während die andere Tendenz zur Verschmelzung einzelner nationaler Elemente mit solchen anderer Nationen führt. Daraus entstehen oft überraschende Ergebnisse wie die, die von der Theaterkompanie Jerusalem im Rahmen der 12. Jiddischen Musik- und Theaterwoche Dresden in der Dreikönigskirche präsentiert wurden.

Die Philosophie des Programms „Ye-arning” (Sehnsucht) mit seinen drei Teilen Sehnsucht, Schöpfung und Scha-bat besteht in der Verbindung der spirituellen Kraft alter jüdischer Gebete mit Melodien, Rhythmen und dem Instrumentarium Instrumentarium orientalischer Kunstmusik.

Gekleidet ist dieses Amalgam in moderne Darstellungsformen, die einen deutlichen Kontrast zu den archaischen Texten in Altaramäisch, Althebräisch und mittelalterlichem Spanisch bilden. Ausdrücklich verwies die Sängerin Ruth Wieder Magan darauf, dass darunter auch solche Gebete, sind, die während Jahrhunderten von Frauen nicht gesprochen werden duften. Der Anspruch, den die drei Ausführenden mit ihrem Programm artikulieren wollen, ist nicht gering, denn sie rufen damit zur Bewahrung des Lebens auf unserem Planeten auf und beschwören die
Unteilbarkeit der Humanität.

Sowohl Ausführende wie auch Instrumente sind Abbild der Multikulturalität. Die Sängerin und Tänzerin Wieder Magan wurde in Australien geboren und lebt jetzt in Israel. Mark Elijahu stammt aus Dagestan und spielt Kamantsche und Saz, deren kaukasisch-arabische Herkunft und spezifische Tongebung und Oktavteilung keinen unüberbrückbaren Gegensatz zum europäisch orientierten Klarinettenspiel Daniel Jakobsons bedeuten. Die Gruppe hat an renommierten
Festivals auf fünf Kontinenten teilgenommen und viele Preise gewonnen. Bemerkenswert ist vor allem die Verquickung von künstlerischem Ausdruck und Spiritualität. Jedes Lied des Programms hat neben der artistischen Seite auch eine tiefe philosophische Dimension, der man sich aber nur dann nähern kann, wenn man die Texte in Ruhe und in einer guten Übersetzung auf sich wirken lässt. Während der Aufführung ist das kaum möglich.

Eins aber ist in aller Klarheit wahrzunehmen: die Intensität der Ausführung. Die geht natürlich in erster Linie von Wieder Magan aus, die ihre Stimme mit erstaunlicher Variabilität einsetzt und dabei auch elektronische Hilfsmittel verwendet. Ihr Tanz ist sowohl bewusster Ausdruck wie auch weitgehend unbewusstes Offenlegen von Seelenzuständen. In diesem Kontext ist nicht allein in Kauf zu nehmen, sondern wohl auch zu begrüßen, dass die Authentizität des Materials von der Persönlichkeit der Darsteller so weit überlagert wird, dass eine neue untrennbare Einheit zustande kommt.

Peter Zacher, DNN 22.10.2008


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