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2011:
Das Buch
von Zwi Kanar

Jiddische Musik- und Theaterwoche 2011 in Dresden

JiWo - BLOG

Archiv für die Kategorie ‘Presse-Berichte’

»Ist die echt?«

Donnerstag, 03. November 2011

Die Jüdische Allgemeine über den “Happy Hippie Jew Bus”.

Der »Happy Hippie Jew Bus« birgt viele Überraschungen – auch eine Plüsch-Tora

»Hot, Hip & Holy« steht auf dem gelben, über und über mit bunten Blumen bemalten Bus der Künstlerin Anna Adam. Ein heiliger Bus – eine Provokation? »Aber nein«, beteuert Adam mit unschuldigem Augenaufschlag, »schließlich haben wir eine Tora an Bord und sogar eine Mikwe.«

So ganz für bare Münze sollte man indes nicht alles nehmen, was die freischaffende Künstlerin aus Berlin in ihrem »Happy Hippie Jew Bus« präsentiert. Schließlich beschreibt sich Adam selbst als Clown: »Überspitzte Satire ist eine Methode, um Angst abzubauen«, sagt sie. Eine Angst, die sie als »deutsch-jüdische Krankheit« bezeichnet: »Als jüdische Deutsche erlebe ich nichtjüdische Deutsche oft als verklemmt«, berichtet die Künstlerin. Häufig seien die Reaktionen der Nichtjuden unfreiwillig komisch: »Sie sind Jüdin? Das tut mir aber leid!«

Humor Anna Adam entschied sich, das schwierige Verhältnis mit Humor zu entkrampfen. Ihr »Happy Hippie Jew Bus«, der am Montag und Dienstag für die Jiddische Musik- und Theaterwoche in Dresden Station machte, ist deshalb mit allerlei Witzigem und Skurrilem ausgestattet: Die Tora besteht aus Plüsch und ist in einem geblümten Schrank untergebracht. Die Mikwe ist eine kleine Vertiefung im Boden des Busses.

Im hinteren Teil des Fahrzeugs thront ein Buddha mit Kippa auf dem Kopf und Davidstern um den Hals. Ein Verweis auf die »Bu-Jews«, Juden, die in der Hippie-Ära Erleuchtung in indischen Aschrams suchten. Drei Rollen Toilettenpapier – für Milchiges, Fleischiges und Sonstiges – illustrieren das Thema Kaschrut einmal ganz anders: »Wie schon Helmut Kohl sagte: Entscheidend ist, was hinten raus kommt«, sagt Anna Adam munter.

Fragen Das Skurrile ist für die 48-Jährige aber kein Selbstzweck. Sie sieht den Bus als soziale Plastik, als Kunstobjekt, das eben doch provozieren soll. Der Witz dient Adam als Türöffner, um ernsthaft über das Judentum ins Gespräch zu kommen, Klischees zu entlarven, Fragen zu beantworten. Dabei erhält die Künstlerin Unterstützung von der Kantorin Jalda Rebling. Die Expertin für jüdische Musik und Traditionen kennt sich im orthodoxen Judentum ebenso gut aus wie in den anderen Formen des Glaubens.

»Die liebsten Besucher sind uns diejenigen, die Lust daran haben und sich trauen, zu diskutieren«, sagt Anna Adam. Besonders häufig werde sie gefragt, ob sie sich sicher fühle, ob sie keine Angst habe, mit ihrem auffälligen Bus durch Deutschland zu touren. Zu Angriffen sei es jedoch noch nie gekommen, berichtet die Künstlerin: »Dazu treten wir viel zu selbstbewusst auf. Das traut sich keiner.«

Stattdessen bekommt der »glückliche Bus« an jedem Stopp neue Blumen aufgemalt. Kinder finden es klasse, sich mit wasserfesten Stiften auf dem gelben Lack zu verewigen. Es sind vor allem die jungen Besucher, die sich dem knallbunten Gefährt und seinen Pilotinnen ohne Scheu zuwenden. »Ist die echt?«, fragt ein kleiner Junge, als Jalda Rebling die Tora hervorholt. »Ja, eine echte Plüsch-Tora«, versichert die Kantorin. »Und was passiert, wenn man sie aufmacht?«, fragt der Kleine weiter. »Dann fällt die Füllung raus«, antwortet Rebling trocken. Im »Happy Hippie Jew Bus« hat die Wahrheit letzten Endes eben doch mehr Gewicht als der Witz.

Programm Weitere »Begegnungen mit jüdischem Leben« ermöglicht die Jiddische Musik- und Theaterwoche in Dresden noch bis zum 6. November. Am Donnerstag, 3. November, treten im Liveclub »Tante JU« Daniel Kahn und Psoy Korolenko mit ihrem Programm »Die Unternationale« auf. Sie spielen Remakes von Liedern der traditionellen jüdischen Arbeiterbewegung.

In der Festveranstaltung »15 Jahre Jiddische Musik- und Theaterwoche« am 5. November um 15 Uhr im Theaterhaus Rudi werden Ausschnitte aus früheren Rocktheaterproduktionen gezeigt. Am gleichen Tag um 21 Uhr heißt es in der Scheune »Jiddisch groovt!«. Jewdyssee und DJ Shico machen jiddische Klassiker tanzbar.

Am Sonntag, 6. November, ab 12 Uhr lädt das Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde zum »Tag der Offenen Tür« mit Führungen, Kindertheater, Vorträgen und koscheren Köstlichkeiten.

Anlässlich des Festival-Abschlusskonzerts, ebenfalls am 6. November um 17 Uhr in der Synagoge, präsentiert »Bluer than Blue – bloyer fun blo« jiddische Lieder aus den Jahren 1939 bis 1945. Die jiddische Sängerin Urszula Makosz gestaltet diesen Liederzyklus gemeinsam mit den Musikern Christian Dawid, Michal Póltorak und Pawel Pierzchala.

Jüdische Allgemeine, 3.11.2011 – von Karin Schuld-Vogelsberg

Direkt zum Artikel auf der Internetseite der Jüdischen Allgemeinen geht es hier.

Jüdische Mystik

Dienstag, 01. November 2011

Die Dresdner Neuesten Nachrichten über “Der Dybbuk – Zwischen zwei Welten” mit dem Habimah National Theatre of Israel.

Berühmtes Theater gastierte in Dresden

[...] Der visuelle Reichtum, den die drei Darsteller Jaron Goschem, Miriam Kirmaier und Nimrod Eisenberg bei ihrem Gastspiel als quasireale Personen und mit oder ohne Puppen und Masken darbieten, ist ebenso überraschend wie die Variabilität der stimmlichen Aktionen. [...]
Es ist aber zu vermuten, dass diese komplexe und legendenhafte Geschichte selbst vielen Juden nicht geläufig ist. Wie solche Zusatzinformation gestaltet werden könnte, dürfte sich durch die überschäumende inszenatorische Fantasie Schmuel Schohats relativ leicht lösen. Wer ein solches Feuerwerk an Regieideen zünden kann, wird wohl noch einige Raketen mehr zur Verfügung haben. [...]

Dresdner Neueste Nachrichten, 1. November 2011 – von Peter Zacher

Vollständiger Artikel als PDF.

Jiddische Woche bei DRESDEN EINS

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Ein ausführlicher TV-Bericht über die 15. Jiddische Woche mit Programmhinweisen und Interviews von DRESDEN EINS:

Abschied zur 15. Jiddischen Festwoche

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Das Dresdner Rocktheater gehörte 1996 zu den Initiatoren der Jiddischen Musik- und Theaterwoche. Nun löst es sich auf.

Zum Abschied lässt es Detlef Hutschenreuter noch einmal so richtig krachen. Zur 15. Jiddischen Musik- und Theaterwoche bietet sein Dresdner Rocktheater ein Programm, welches dem Namen noch einmal alle Ehre machen soll. Mit „Rokisstn“ bringt Hutschenreuter eine jiddische Rock’n’Roll-Show auf die Bühne, die bereits am kommenden Sonnabend im Theaterhaus Rudi Premiere feiert. Am 31. Oktober führt die Truppe das Spektakel im Rahmen der Jiddischen Festwoche im Gemeindezentrum der Synagoge auf.
Hutschenreuter war 1996 Mitbegründer der jüdischen Kulturwoche. 15 Jahre später, nach insgesamt rund 500 Veranstaltungen und über 4 000 Besuchern ist das Festival seinen Kinderschuhen entwachsen und braucht neue Organisationsstrukturen.
Festivalleiter Michael Rockstroh verkündete gestern, dass sich ab kommendem Jahr ein neuer Trägerverein um die Organisation kümmern wird. Den Vorsitz des Vereins „Jüdische Musik- und Theaterwoche“ hat Andreas Nattermann, Geschäftsführer des Societaetstheaters, übernommen.
In diesem Jahr finden neben dem Jüdischen Ball am 29. Oktober viele Konzerte, Lesungen, Kinderprogramme und Theateraufführungen statt. Außerdem werden Sprachkurse in Hebräisch und Jiddisch angeboten.
Neu ist der Kurs „Koscher kochen“. Veranstaltungsorte sind u. a. die Synagoge, die Scheune, das Projekttheater und das PK Ost.

Sächsische Zeitung, 12.10.2011 – von Bianca Deutsch

 

15. Jiddische Musik- und Theaterwoche Dresden

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Seit Detlef Hutschenreuther und das Rocktheater Dresden vor 15 Jahren die „Jiddische Musik- und Theaterwoche“ aus der Taufe gehoben haben, ist das Festival erwachsen geworden.
Längst hat es überregionale Strahlkraft erlangt. In diesem Jahr präsentiert es sich vom 23. Oktober bis zum 6. November mit 50 Veranstaltungen und Gästen aus Deutschland, Österreich und Israel an 15 verschiedenen Spielstätten.
Von frechem Theater, Klezmer und Jiddisch-Rock bis zu Film, Lesung, Hebräisch-Workshops und Ausstellungen reicht die Palette der Veranstaltungen (www.jiddische-wochedresden.de).
„Inzwischen haben wir die Grenzen des Jiddischen (Kulturkreis der osteuropäischen Juden, d. Red.) überwunden“, sagt Festivalleiter Michael Rockstroh. Ein neuer Trägerverein Jüdische Musik- und Theaterwoche e.V. wolle jüdische Kultur und Leben insgesamt präsentieren.
„Wir spüren bei den Dresdnern auch zehn Jahre nach Eröffnung der Neuen Synagoge immer noch eine Hemmschwelle, unser Gemeindezentrum zu besuchen“, sagt Valentina Marcenaro, Vertreterin der rund 700 Mitglieder zählenden Jüdischen Gemeinde Dresden.
Gelegenheit, diese zu überwinden, ist schon beim Eröffnungskonzert „Don’t look back“ (23.10., 19 Uhr) mit Avitall Gerstetter, der ersten jüdischen Kantorin in Deutschland.
Zu weiteren Höhepunkten des Festivals gehören Aufführungen des Habimah National Theatre of Israel („Der Dybbuk – Zwischen den Welten“, 29./30.10., jeweils 20 Uhr, Societaetstheater), der Jüdische Ball mit „Tants in Gartn Eydn“, der ältesten Klezmerband in Deutschland (29.10., 20 Uhr, Gemeindezentrum), und das Stück „Schweigeminute“ der deutsch-israelischen Theatergruppe „AH! Kollektiv“ (26./27.10., jeweils 19 Uhr bzw. 20 Uhr Societaetstheater).
Das Rocktheater Dresden, das die Trägerschaft des Festivals abgegeben hat, löst sich zum Jahresende auf. Nicht ohne noch eine Neuproduktion zu präsentieren: „Jiddisch Rock’n’Roll“ mit Musik der 50er und jiddischen Texten des Schriftstellers Lew Berinski, der schon bei der 1. Jiddischen Woche Ehrengast war.

Morgenpost Dresden, 12.10.2011

50 Acts in 14 Tagen

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Festival und Gemeinde feiern Jubiläum

»Don’t look back« heißt das Programm, das die Kantorin Avitall Gerstetter zur Eröffnung der 15. Jiddischen Musik- und Theaterwoche am 23. Oktober am Hasenberg präsentiert. Doch gerade das will die Jüdische Gemeinde Dresden durchaus tun: zurückschauen auf zehn Jahre Jüdisches Gemeindezentrum und auf 15 Jahre Festival. Dazu hat sie nicht nur die erste deutsch-jüdische Kantorin und ihre musikalischen Mitstreiter Christian Lohr (Klavier) und Ernst Ströer (Percussion) eingeladen.

In den beiden Wochen laufen 50 Einzelveranstaltungen an 15 verschiedenen Spielstätten. »Diese Vielfalt ist ein Spiegel der mannigfaltigen Kultur und zugleich Markenzeichen der Jiddischen Woche«, erklärt die jüdische Gemeinde, die gemeinsam mit dem Rocktheater Dresden und HATiKVA das Festival durchführt. Die Angebote wie Theater, Film, Führungen, Konzerte, Aktionen und Gespräche sind für Erwachsene, aber auch für Kinder.

Verpflichtung In den 15 Jahren habe sich die Jiddische Musik- und Theaterwoche einen festen Platz im Dresdner Kulturleben erobert, sagt die Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Sabine von Schorlemer. Und auch überregional werde sie wahrgenommen. Das bewiesen die vielen Gäste aus dem In- und Ausland sowie aus Israel. »Es ist für mich deshalb eine Ehre und Verpflichtung zugleich, die Schirmherrschaft für dieses Festival zu übernehmen«, schreibt von Schorlemer im Begleitheft zum Festival.

1996 wurde die Kulturwoche mit dem Schwerpunkt auf dem Jiddischen unter der Federführung von Detlef Hutschenreuter vom Rocktheater Dresden gegründet. Nach 500 Veranstaltungen mit mehr als 300 teilnehmenden Künstlern und zuletzt 4.000 Besuchern stellt sein jetziger Leiter Michael Rockstroh fest: »Das Festival ist gewachsen, ist schon lange erwachsen. Wir haben es zu Begegnungen mit jüdischem Leben erweitert.« So ist es auch nicht verwunderlich, dass der letzte Tag der Musik- und Theaterwoche auf den ersten Tag der Festwoche zum 10-jährigen Bestehen des neuen Gemeindezentrums fällt.

Jüdische Allgemeine, 12.10.2011 – von Heide Sobotka

 

Ernstes Thema, heiterer Umgang – Theatertruppe aus Akko zu Gast im Societaetstheater

Montag, 27. Oktober 2008

Nicht zum ersten Mal gastierte in einer jiddischen Musik- und Theaterwoche eine Theatergruppe aus Israel und nicht zum ersten Mal konnten wir dabei neuartigen Spiel- und Darstellungsmethoden begegnen. In diesem Jahr waren die Gäste Mitglieder des Acco Theater Center aus Akko, einer schon in der Antike berühmten Stadt in Galiläa im Norden Israels. Deren Altstadt wird fast ausschließlich von israelischen Arabern bewohnt und oft als die orientalischste Stadt Israels bezeichnet.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass das Theater mit einem Stück auftrat, das ein Abbild des interkulturellen Dialogs ist, um den sich die Mitglieder bemühen. Schon im Personalverzeichnis von „An Arab Dream” finden sich hebräische und arabische Namen, im ganzen Stück geht es um einen Teil der Probleme im Zusammenleben der beiden Volksgruppen. Dabei muss allerdings eingeräumt werden, dass sich dieser arabische Traum – genauer wohl Traum eines Arabers – einem deutschen Publikum nicht restlos erschließt. Die Fülle der Darstellungsweisen und die vielen Verwandlungen der weiblichen Hauptdarstellerin sorgen eher für Verwirrung, die bezüglich der Inhalte ebenfalls nicht ignoriert werden kann. Letzteres mag auch einer anderen Erwartungshaltung geschuldet sein. Erst im Verlauf des Stücks konnte ich mir klarmachen, dass nicht in jedem theatralen Ereignis die ganze Komplexität des Verhältnisses von Juden und Arabern bis hin zu hochpolitischen Teilthemen und der einem Krieg nicht unähnlichen Austragung der Konflikte umfassend abgehandelt werden kann.

„An Arab Dream” erzählt eine in erster Linie private Geschichte, deren spezifische Farben natürlich durch die große Politik mitbestimmt werden. In einer Situation wie in Israel und den besetzten Gebieten kann es eine private Sphäre ohne Bezug auf zentrale Felder der Politik nicht geben.

Man wird sogar die skurrile Heiterkeit des Stücks zunächst irritierend und wohl auch bestürzend finden, bis man begriffen hat, dass man es hier mit einer Komödie zu tun hat. Die ist zum Teil sehr subtil und sensibel, besitzt aber auch lange Passagen, die derb zupackend und burlesk sind. An der Vielfalt der Mittel – neben den üblichen theatralen Ingredienzien auch Puppenspiel, Pantomime, Film- und Videosequenzen – konnte man aber helle Freude haben,
ebenso daran, dass ein Schauspieler mitten unter die Zuschauer ging und sich mit ihnen unterhielt Sprachliche Vielseitigkeit äußerte sich in der Verwendung hebräischer, arabischer und englischer Texte, die fast simultan ins Deutsche übertragen wurden. Eine tüchtige Portion Erotik rundete ein Theatervergnügen ab, das man so eigentlich nicht erwartet hatte, dafür aber mit einer heiteren Sicht auf ernste Probleme belohnte.

Peter Zacher, DNN 27.10.2008

Die Kammeroper “Chaim Ben Chaya” nach einer jiddischen Legende wurde in Dresden uraufgeführt.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Es ist eine rätselhafte, unheimliche Inschrift: “Hier liegt Chajim Ben Chaje, geboren in seiner Mutter Grab”. Zu lesen ist sie auf dem Friedhof von Ostro. Was Legende wurde, soll in dem polnischen Städtchen wirklich passiert sein. Schmuel, dem viel reisenden Holzhändler, und Gattin Chaje, Tochter aus reichem Hause, fehlen zum vollkommenen Glück ein Kind. Chaje wird ungeduldig und nimmt wichtige Papiere aus dem Gepäck, das Schmuel für die nächste Reise geschnürt hat, damit er bald wieder umkehren müsse. Schmuel glaubt an eigenes Versehen und verkleidet sich, um den Spott der Leute abzuwenden. Die nehmen ihn als Fremden wahr, der pikanterweise über Nacht bleibt – und eine hochschwangere Chaje zurücklässt.

Doch Chajes Glück währt nur kurz, denn bald wird sie als Hure geschmäht und vom Rabbi verstoßen. Qualvoll stirbt sie, noch vor Geburt ihres Sohnes, und wird als Sünderin begraben. Dass die Dinge anders liegen, glaubt man erst dem heimkehrenden Schmuel. Und als man das Grab öffnet, findet man neben der toten Mutter ein lebendiges Kind. Sohn Chajim wird zum Zeichen der Unschuld Chajes. Die Gemeinde begreift, großes Unrecht getan zu haben.

Alte Themen, aktuelle Themen

Wie alt diese schaurige Geschichte auch sein mag; die Themen um Vorurteil, Misstrauen und Missgunst sind aktuell geblieben. Der israelische Komponist und Schriftsteller Daniel Galay (geb. 1945) hat darüber eine einstündige, eher rezitierend als reflektierend angelegte Kammeroper geschaffen. Am Montag kam “Chaim Ben Chaya” im Dresdner Theaterhaus Rudi erstmals auf die Bühne. Das reichlich erschienene Publikum dankte überaus herzlich – für Szenen (Regie: Tal Shahar), die durch ihre Kargheit berührten und mit Sandy Assers ergreifender Darstellung der Chaje besonders gewannen. Das Kammerorchester des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden unter Friedemann Schulz brachte die folkloristisch durchwirkte Musik nach Kräften zum Blühen. An Präsenz und Stimmgewalt nicht zu überbieten war Susann Reibeholz als singende Chaje.

Die noch bis zum Wochenende andauernde “12. Jiddische Musik-und Theaterwoche Dresden” hat mit “Chaim Ben Chaya” zweifellos einen Höhepunkt erlebt. Ein Produkt aus Hingabe und Idealismus in Teamarbeit – geschaffen binnen kurzer Zeit und mit einem Budget, wo mancher Musiker nicht einen müden Finger krümmen würde.

Karsten Blüthgen, Sächsische Zeitung 22.10.2008

Theatre Company Jerusalem gastierte in Dresden

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Nicht allein durch seine geografische Lage im Schnittbereich der Kontinente überlagern sich in Israel unterschiedliche kulturelle Einflüsse. Auch und vor allem die Tatsache, dass das Land Menschen aus aller Welt absorbiert -ungeachtet seines Herkunftslands hat jeder Jude das Recht, sich in Israel niederzulassen -, hat zu kultureller Vielfalt geführt. Dabei verläuft eine Ausrichtung hin zur Beibehaltung der Kulturen, die die Einwanderer mitgebracht haben und auch unter neuen Bedingungen weiter bewahren, während die andere Tendenz zur Verschmelzung einzelner nationaler Elemente mit solchen anderer Nationen führt. Daraus entstehen oft überraschende Ergebnisse wie die, die von der Theaterkompanie Jerusalem im Rahmen der 12. Jiddischen Musik- und Theaterwoche Dresden in der Dreikönigskirche präsentiert wurden.

Die Philosophie des Programms „Ye-arning” (Sehnsucht) mit seinen drei Teilen Sehnsucht, Schöpfung und Scha-bat besteht in der Verbindung der spirituellen Kraft alter jüdischer Gebete mit Melodien, Rhythmen und dem Instrumentarium Instrumentarium orientalischer Kunstmusik.

Gekleidet ist dieses Amalgam in moderne Darstellungsformen, die einen deutlichen Kontrast zu den archaischen Texten in Altaramäisch, Althebräisch und mittelalterlichem Spanisch bilden. Ausdrücklich verwies die Sängerin Ruth Wieder Magan darauf, dass darunter auch solche Gebete, sind, die während Jahrhunderten von Frauen nicht gesprochen werden duften. Der Anspruch, den die drei Ausführenden mit ihrem Programm artikulieren wollen, ist nicht gering, denn sie rufen damit zur Bewahrung des Lebens auf unserem Planeten auf und beschwören die
Unteilbarkeit der Humanität.

Sowohl Ausführende wie auch Instrumente sind Abbild der Multikulturalität. Die Sängerin und Tänzerin Wieder Magan wurde in Australien geboren und lebt jetzt in Israel. Mark Elijahu stammt aus Dagestan und spielt Kamantsche und Saz, deren kaukasisch-arabische Herkunft und spezifische Tongebung und Oktavteilung keinen unüberbrückbaren Gegensatz zum europäisch orientierten Klarinettenspiel Daniel Jakobsons bedeuten. Die Gruppe hat an renommierten
Festivals auf fünf Kontinenten teilgenommen und viele Preise gewonnen. Bemerkenswert ist vor allem die Verquickung von künstlerischem Ausdruck und Spiritualität. Jedes Lied des Programms hat neben der artistischen Seite auch eine tiefe philosophische Dimension, der man sich aber nur dann nähern kann, wenn man die Texte in Ruhe und in einer guten Übersetzung auf sich wirken lässt. Während der Aufführung ist das kaum möglich.

Eins aber ist in aller Klarheit wahrzunehmen: die Intensität der Ausführung. Die geht natürlich in erster Linie von Wieder Magan aus, die ihre Stimme mit erstaunlicher Variabilität einsetzt und dabei auch elektronische Hilfsmittel verwendet. Ihr Tanz ist sowohl bewusster Ausdruck wie auch weitgehend unbewusstes Offenlegen von Seelenzuständen. In diesem Kontext ist nicht allein in Kauf zu nehmen, sondern wohl auch zu begrüßen, dass die Authentizität des Materials von der Persönlichkeit der Darsteller so weit überlagert wird, dass eine neue untrennbare Einheit zustande kommt.

Peter Zacher, DNN 22.10.2008


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